Schlagwort: Sinn des Lebens

  • Lebenssinn im Rentenalter

    Lebenssinn im Rentenalter

    Viele Menschen haben ihren Lebenssinn im Beruf gefunden. Erst recht, wenn es nicht nur ein Job, sondern Berufung war. Und wenn der Beruf in erster Linie Maloche mit geringem Spaßfaktor war? Selbst dann hat er Halt im Leben gegeben. Man wurde gebraucht. Das allein schon verleiht dem Leben Sinn. Was aber, wenn dieses „Gebrauchtwerden“ plötzlich wegbricht? Von einem Tag auf den anderen? Hat das Leben dann noch Sinn? Und wenn ja, welchen?

    Für mich war dieser Tag der 01. März 2022. Endlich Rentner, endlich frei! Nicht mehr früh aufstehen müssen. Keine Verpflichtungen. Keine mehr oder weniger sinnvollen Termine und Besprechungen. Aber was nun anfangen mit der vielen freien Zeit? Nach meiner Auffassung lassen sich angehende RuheständlerInnen zu Beginn ihrer PensionärInnen-Laufbahn folgendermaßen grob kategorisieren:

    Die orientierungslosen Zombies

    Das sind Menschen, für die Lebenssinn ein Fremdwort ist. Das ist nicht abwertend gemeint. Vielleicht sind die glücklichsten Menschen jene, die sich die Sinnfrage gar nicht stellen. Sie möchten einfach nur glücklich sein und das Leben genießen. Nach jahrelanger Maloche haben sie es sich redlich verdient. Diese Menschen könnten aber möglicherweise in die Zombiefalle tappen. Zunächst freuen sie sich noch über die neu gewonnene Freiheit. Doch schon nach kurzer Zeit sind sie innerlich leer. Sie fallen in ein tiefes Loch wie der Bergsteiger in eine Gletscherspalte. Sie haben nur wenig oder gar keine Interessen. Ich kenne einen Mann, der hat vermutlich noch nie in seinem Leben ein Buch gelesen. Als er noch berufstätig war, saß er abends mit seinem Feierabendbierchen vor dem Fernseher. Wandern oder Spazierengehen macht ihm keinen Spaß. Hobbys hat er auch keine. Er hat auch noch nie ernsthaft Sport betrieben und gehört keinem Verein an. Dem Vorschlag, etwas Neues anzufangen steht er wenig aufgeschlossen gegenüber. Einen Nebenjob annehmen möchte er auch nicht. Schließlich habe er sein ganzes Leben gearbeitet, so sein Argument. Sich ehrenamtlich zu engagieren kommt ihm überhaupt nicht in die Tüte. Schließlich sei das ja auch Arbeit. Es muss ihm irgendwie gelingt, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Sonst wird sein Rentnerdasein tatsächlich ziemlich trostlos sein. Es gibt Gefängnisse ohne Mauern. Trotzdem kann man nicht raus.

    Die sinnsuchenden Übereifrigen

    Diese (Un-)RuheständlerInnen wissen gar nicht, was sie zuerst tun sollen. Sie hetzen durch ihren Rentneralltag wie Speedy Gonzales durch Mexiko. Der Terminkalender dieser RentnerInnen ist noch voller als in ihrem aktiven Berufsleben. Vom ersten Tag ihres Ruhestandes an versuchen sie panisch, alle Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie gönnen sich keinerlei Auszeit. Hauptsache alles, was sie tun, hat einen Sinn. Bald schon fordern zahlreiche Hobbys, Mitgliedschaften in Vereinen, Pläne und selbstgestellte Aufgaben ihren Tribut. Psychisch und physisch. Sie gehen bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Sie haben sich auf das Rentnerleben gefreut. Und nun können sie den Übergang vom Berufsleben in den (Un-)Ruhestand gar nicht richtig genießen. Ruhe und Nichtstun bedeuten im günstigsten Fall Stillstand, im ungünstigsten Rückschritt. So ihre Devise.

    Gehört man in eine dieser beiden Kategorien, sind seelische Probleme bis hin zu Depressionen oder körperliche Gebrechen beinahe schon die Folge. Entweder man leidet an Unterforderung (erste Kategorie) oder Überforderung (zweite Kategorie). Beides ist nicht gerade optimal für ein glückliches und sinnerfülltes RentnerInnen-Leben. Aber da gibt es ja noch die dritte Kategorie.

    Die Lebenskünstler

    Zu dieser Kategorie gehören alle, die im Ruhestand ein gesundes Maß an Ausgewogenheit zwischen Nichtstun und Aktivsein finden. Die mit sich im Reinen ist und ihren Ruhestand in Würde tragen. Wie einen Maßanzug, der genau auf sie zugeschnitten ist und keinem anderen Menschen passen würde. Zu dieser Kategorie zähle ich mich mittlerweile. Doch das war nicht immer so. Zunächst war ich ein Mitglied der zweiten Kategorie. Bereits in den letzten Monaten meiner Berufstätigkeit habe ich mir viele große Ziele gesteckt. Alle wollte ich sie als Rentner angehen. Und zwar alle auf einmal und alle sofort. Es waren zu viele. Und das Tempo war zu schnell. Seit vielen Jahren schon habe ich mich mit dem Bloggen beschäftigt. Noch während meiner Berufstätigkeit habe ich abends nach Feierabend zwei E-Books geschrieben. Nun wollte ich meinen Blog gründlich überarbeiten („relaunchen“ sagt man auf Neudeutsch). Außerdem wollte ich viele weitere E-Books schreiben. Vielleicht auch mal ein „richtiges“ Buch. Obendrein wollte ich viel reisen. Und aufräumen. Meine Wohnung. Mein Arbeitszimmer. Meine Papierstapel. Meinen Datenmüll auf der Festplatte, auf dem Tablet, auf dem Smartphone und im Kopf. Ich wollte zweimal in der Woche mit einem Hund des hiesigen Tierheims Gassi gehen. Mich intensiv um meine diversen Geldanlagen kümmern. Aktien und Börse waren schon immer meine Leidenschaft. Und last but not least wollte ich endlich mal was Sinnvolles machen und einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Hinzu kommt noch, dass mich meine Frau mit Arbeiten bombardierte (Einkaufen, diverse Tätigkeiten im Haushalt etc.). Ein bisschen viel auf einmal.

    Mein Tagesablauf als Berufstätiger…

    Es wäre aber alles zu schaffen. Nur eben nicht alles auf einmal und nicht alles sofort. Der letzte Tag meines Berufslebens lief etwa so ab:

    • Um 05:00 Uhr früh aufstehen.
    • Meine Frau zur Arbeit zu fahren.
    • Nach Hause kommen und frühstücken.
    • Den Computer hochfahren und zu arbeiten beginnen (zu dieser Zeit wurde ich durch Corona zum Homeoffice gezwungen).
    • Mittagessen.
    • Nach dem Essen weiterarbeiten.
    • Nach getaner Arbeit joggen gehen.
    • Abendessen.
    • An privaten Objekten arbeiten (zum Beispiel einen Blogartikel schreiben).
    • Den Abend bei einem guten Film vor dem Fernseher ausklingen lassen.

    Ein ganz stinknormaler Tag eines stinknormalen Menschen also.

    … und als Rentner

    Der erste Tag meines Rentnerlebens lief ungefähr so ab:

    • Um 05:00 Uhr früh aufstehen.
    • Meine Frau zur Arbeit zu fahren.
    • Nach Hause kommen und frühstücken.
    • Den Computer hochfahren und an meinen diversen Projekten arbeiten (zum Beispiel einen Blogartikel schreiben).
    • Mittagessen.
    • Nach dem Essen weiterarbeiten.
    • Nach getaner Arbeit joggen gehen.
    • Abendessen.
    • An privaten Objekten arbeiten (zum Beispiel meine Finanzen checken).
    • Den Abend bei einem guten Film vor dem Fernseher ausklingen lassen.

    Na, hast du den Unterschied gefunden? Richtig, es gibt fast keinen. Der Unterschied besteht lediglich in der Art der Arbeit. Als Berufstätiger war sie fremdbestimmt. Als Rentner kann ich selbst bestimmen, an was ich arbeite, wie lange und ob ich überhaupt arbeite. Der springende Punkt ist folgender: Ich gönnte mir noch nicht mal einen kompletten Tag, um einfach Spaß zu haben. Geschweige denn eine Woche oder einen Monat. Mich morgens nochmals ins Bett zu legen, nachdem ich meine Frau zur Arbeit gefahren habe? Inakzeptabel. Nach dem Morgenkaffee eine Runde spazieren zu gehen oder ein gutes Buch zu lesen. Won kämen wir denn da hin! Einfach mal nichts zu tun. Vollkommen undenkbar. Jede Sekunde, in der ich nicht etwas Produktives tat, war verlorene Zeit für mich.

    Nach etwa einem Vierteljahr verfiel ich ins andere Extrem. Zu dieser Zeit wurde das 9-Euro-Ticket eingeführt. Damit konnte man mit den allen Regionalzügen beliebig viel innerhalb Deutschlands herumreisen. Ich nutzte diese Zeit intensiv und klapperte etwa 20 kleinere und größere Orte innerhalb Frankens und Baden-Württembergs ab. Abends war ich dann viel zu müde, um noch irgendetwas Sinnvolles zu tun. Das wurde dann schließlich zur Gewohnheit. Nach dem das 9-Euro-Ticket auslief, saß ich nur noch zu Hause und schlug die Zeit tot. Mein schlechtes Gewissen rief mich zur Raison und ich ging mit mir selbst ins Gericht.

    Die richtige Balance

    Schließlich fand ich das für mich ideale Gleichgewicht zwischen Müßiggang und Produktivität. Heute entscheide ich jeden Tag neu, ob ich mich morgens nochmals zwei Stunden ins Bett lege oder nicht. Ich habe keine festen Zeiten mehr, zu denen ich arbeite. Ich habe auch keinen strengen Tagesplan, an den ich mich akribisch halte. Und siehe da: Ich schaffe mehr als zu Beginn meines Ruhestandes. Und ich habe auch noch Spaß dabei! Einmal pro Woche betreue ich Kinder in einer Flüchtlingsunterkunft. Die Kids kommen überwiegend aus der Ukraine. Manchmal gehe ich spontan zwei Stunden spazieren. Mitten am Tag, wenn andere Leute arbeiten müssen. Ein Privileg, dass ich sehr genieße. Und ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich mal nichts tue. Und die Aufgaben, mit denen mich meine Frau bombardiert? Die machen mir jetzt sogar Freude. Weil es ein Teil meines Lebenssinns ist, allein durch mein Dasein und meine Unterstützung das Leben eines anderen Menschen leichter zu machen. Als „Verpflichtung“ habe ich mir lediglich auferlegt, jeden Tag etwas für meine „Big Five for Life“ zu tun. Aber das ist ein anderes Thema. Dazu mehr in einem separaten Artikel.

  • Der Weg ist das Ziel

    Der Weg ist das Ziel

    In einem kleinen Dorf lebte einmal ein weiser Mann. Er war Leiter der lokalen Verwaltung. Alle Dorfbewohner respektierten ihn. Seine Ansichten
    und Meinungen galten etwas. Viele Menschen kamen deshalb zu ihm, um Rat zu
    suchen.

    Sein Sohn jedoch war faul. Er vergeudete seine Zeit mit Schlafen und mit dem Zusammensein mit seinen Freunden. Es halfen weder Ratschläge noch Drohungen. Er wollte sich einfach nicht ändern.

    Die Jahre vergingen, und mit der Zeit verblasste die Jugend des Weisen. Als er älter wurde, begann er sich Sorgen um die Zukunft seines Sohnes zu machen. Der weise Mann wünschte nichts sehnlicher, als dass sein Sohn für sich selbst und seine Familie sorgen kann. Er musste handeln, um ihn für das Leben vorzubereiten.

    Eines Tages rief er seinen Sohn in sein Zimmer und sagte: „Mein Sohn, du bist jetzt kein Kind mehr. Du musst lernen, Verantwortung zu übernehmen und das Leben zu verstehen. Ich möchte, dass du den wahren Sinn des Lebens findest. Und wenn du ihn gefunden hast, erinnere dich immer wieder daran. Dann wirst du ein Leben voller Glück und Freude führen.“

    Dann reichte er seinem Sohn eine Tasche. Den Sohn wunderte, was er darin fand: Vier Paar Kleider, eines für jede Saison. Etwas Rohkost, Getreide, Linsen, ein wenig Geld. Auch eine Karte war darin enthalten. Sein Vater fuhr fort: „Ich möchte, dass du dich aufmachst, um einen Schatz zu finden. Ich habe eine Karte des Ortes gezeichnet, an dem der Schatz versteckt ist. Du musst ihn nur suchen gehen“.

    Der Sohn war begeistert. Am nächsten Tag machte er sich eifrig auf die Reise, um den Schatz zu finden. Er musste sehr weit reisen. Seine Reise führte ihn über Grenzen, Wälder, Hochebenen und Berge.

    Aus Tagen wurden Wochen und aus Wochen wurden Monate. Auf dem Weg zu seinem Ziel traf er viele Menschen. Einige halfen ihm mit Lebensmitteln und andere mit einer Unterkunft. Er traf auch auf Räuber, die versuchten, ihn auszurauben.

    Langsam änderte sich die Jahreszeit und mit ihr auch die Landschaften. Wenn das Wetter unfreundlich war, verweilte er eine Weile. Sobald das Wetter aufklarte, setzte er seine Reise fort.

    Nach einem langen Jahr erreichte er endlich sein Ziel. Es war eine Klippe. Die Karte zeigte, wie der Schatz unterhalb der Klippe bei einem Baum platziert wurde. Als er den Baum entdeckte, begann er, den Boden auszuheben. Er suchte und suchte. Um den Baum herum, unter ihm, auf ihm. Aber er fand nichts. Zwei Tage lang suchte und grub er nach dem Schatz. Am dritten Tag war er so erschöpft, dass er beschloss zu gehen.

    Enttäuscht über die Lüge seines Vaters machte er sich auf den Weg zurück nach Hause. Auf dem Rückweg erlebte er die gleichen wechselnden Landschaften und Jahreszeiten. Diesmal hielt er jedoch inne, um sich an den Schönheiten der Natur zu erfreuen. Er roch an den blühenden Blumen im Frühling und sah den tanzenden Vögeln im Monsun zu. Manchmal blieb er an Orten, nur um den Sonnenuntergang zu beobachten. Er genoss die angenehmen Sommerabende und die eine oder andere Begegnung mit netten Menschen.

    Langsam gingen die Vorräte zur Neige, die er bei sich trug. Er lernte zu jagen und seine Mahlzeiten einzuteilen. Er lernte, seine Kleidung zu nähen und sich selbst zu versorgen. Er konnte die Stunde des Tages anhand des Sonnenstandes bestimmen. Dadurch war er in der Lage, seine Reise entsprechend zu planen. Er lernte auch, wie er sich vor wilden Tieren schützen konnte.

    Er traf die gleichen Leute, die ihm zuvor geholfen hatten. Diesmal blieb er einige Tage bei ihnen. Er half ihnen auf die eine oder andere Weise, um sich zu revanchieren. Er erkannte, wie nett manche Menschen zu einem Fremden waren, der ihnen im Gegenzug nichts zu bieten hatte.

    Die Zeit verging wie im Flug. Zu Hause angekommen wunderte er sich, dass es zwei Jahre her war, als er den Ort verlassen hatte. Er ging direkt in das Zimmer seines Vaters.
    „Vater!“, rief er, als er ihn wiedersah.

    Der Vater ging ihm freudestrahlend entgegen und umarmte seinen Sohn.

    „Wie war deine Reise, mein Sohn. Hast du den Schatz gefunden“, fragte er.

    „Die Reise war faszinierend, Vater. Aber verzeih mir, dass ich nicht in der Lage war, den Schatz zu finden. Vielleicht hat ihn jemand genommen, bevor ich ihn erreichte.“ Er war selbst überrascht von dem, was er gerade gesagt hat. Er war nicht wütend auf seinen Vater. Stattdessen bat er um Vergebung.

    „Mein Sohn, es gab von Anfang an keinen Schatz“, antwortete der Vater lächelnd.

    „Aber warum hast du mich dann geschickt, um ihn zu finden“, fragte der Sohn.

    „Ich werde dir gleich sagen, warum ich dich schickte Aber
    zuerst sage mir: Wie war die Reise zu diesem Ort? Hat sie dir gefallen?“

    „Die Reise dorthin hat mir gar nicht gefallen, Vater! Ich hatte keine Zeit. Ich war besorgt, dass jemand anders den Schatz vor mir finden würde. Ich hatte es eilig, die Klippe zu erreichen.“ Er fuhr fort: „Aber ich habe die Reise auf meinem Heimweg genossen. Ich gewann viele Freunde und erlebte jeden Tag Wunder. Ich lernte so viele verschiedene
    Fähigkeiten und die Kunst des Überlebens. Ich habe so viel gelernt. Dadurch konnte ich den Schmerz vergessen, dass ich den Schatz nicht fand.“

    Der Vater sagte zu ihm: „Dann habe ich dich nicht umsonst auf die Reise geschickt, mein Sohn. Ich möchte, dass du ein sinnvolles Leben führst. Es ist nicht falsch, Ziele zu haben. Aber wenn du dich zu sehr auf das Ziel konzentrierst, dann entgehen dir die wahren Schätze des Lebens. Auf dem Hinweg hattest du nur das Ziel vor Augen. Auf dem Rückweg hast du wirklich gelebt. Versuche nicht, dem Leben einen tieferen Sinn oder einen größeren Zweck zuzuordnen. Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst. Genieße jede Minute, erfreue dich des Lebens und wachse jeden Tag daran. Dann findest du in jedem Augenblick den Schatz der wahren Freude.“