Ich möchte eine Geschichte erzählen. Für alle, die glauben, nie etwas bedeutsames im Leben erreichen zu können. Für alle, die aufgrund irgendeines Handykaps ewige Verlierer zu sein. Für alle, die große Träume haben, sie aber für unerreichbar halten. Es ist die Geschichte eines Mannes, der als Kind unter furchtbarem Stottern litt. Man würde erwarten, dass dieses Kind später einmal vielleicht Buchhalter oder Beamter wird. Dass es einen Beruf ergreift, bei dem es wenig mit Menschen zu tun hat. Schließlich droht jede verbale Kommunikation in einem Desaster zu enden. Doch der Held dieser wahren Geschichte wurde trotz seines Stotterns ausgerechnet – Politiker! Und er wurde nicht nur irgendein Politiker. Während seiner politischen Laufbahn wurde er unter anderem Senator des US-Bundesstaates Delaware und Vizepräsident in der Administration von Barack Obama. Im November 2020 wurde er zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Immer wieder stand er auf und ging unbeirrt seinen Weg. Trotz zweier erschütternder Familientragödien, zahlreicher Schicksalsschläge und politischen Niederlagen. Hier ist seine Geschichte:   

Joe Biden wurde am 20. November 1942 geboren und wuchs in der Arbeiterstadt Scranton im Nordosten von Pennsylvania auf. Sein Vater Joseph Robinette „Joe“ Biden konnte als Ofenreiniger und Gebrauchtwagenverkäufer keine Reichtümer anhäufen. Aber er war ein unerschütterlicher Optimist. Er hat dem kleinen Joe Junior immer wieder die Werte Zähigkeit, harte Arbeit und Ausdauer eingeflößt und vorgelebt. Die folgenden Worte seines Vaters waren für Joe die Maxime seines Lebens: „Champ, für einen Mann ist es nicht wichtig, wie oft er niedergeschlagen wird, sondern wie schnell er wieder aufsteht.“

Biden besuchte die St. Paul’s-Grundschule in Scranton. Im Jahr 1955, als er 13 Jahre alt war, zog die Familie nach Wilmington im US-Bundesstaat Delaware um. Genauer gesagt nach Mayfield, einem Ortsteil der schnell wachsenden Mittelklasse-Gemeinde Wilmington. Als Kind hatte Biden mit starkem Stottern zu kämpfen und er litt sehr darunter, dass er deshalb von seinen Mitschülern verspottet wurde. „Dash“ (Gedankenstrich) nannten sie ihn. Keine guten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben. Aber Biden wäre nicht Biden, wenn ihn das aus der Bahn geworfen hätte. Er lernte lange Gedichtpassagen auswendig und trug sie sich selbst nachts mit einer Taschenlampe vor dem Spiegel laut vor.

Biden besuchte die St.-Helena-Schule und träumte davon, die altehrwürdige Archmere Academy besuchen zu können. Doch seine Eltern konnten sich das hohe Schulgeld nicht leisten. Er putzte die Fenster der Schule und jätete den Garten, um zusammen mit seiner Familie das Geld aufbringen zu können. Schließlich wurde in die Archmere Academy aufgenommen, die er „das Objekt meines tiefsten Verlangens, mein Oz“ nannte. In Archmere war Biden ein guter Schüler. Trotz seiner schmächtigen Figur wurde er einer der besten Footballspieler in der Academy. 1961 machte Biden seinen Abschluss in Archmere.

Dann besuchte er die nahe gelegene University of Delaware, um Geschichte und Politikwissenschaften zu studieren. In diese Zeit fiel die Amtseinführung von John F. Kennedy, der damals zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Dies trug maßgeblich dazu bei, dass sich Biden immer mehr für Politik interessierte. Als Biden an der Syracuse-University Rechtswissenschaften studierte, hatte er dort einen Artikel aus der Law Review nicht richtig zitiert. Biden bestritt, aber dieser Plagiatsvorwurf sollte nicht der einzige in seinem Leben sein.

Nach dem Abschluss des Jurastudiums im Jahr 1968 arbeitete Biden in einer Anwaltskanzlei. Zur gleichen Zeit wurde er auch ein aktives Mitglied der Demokratischen Partei. Im Jahr 1970 wurde er in den New Castle County Council gewählt – das nördlichste und bevölkerungsreichste der drei Countys im US-Bundesstaat Delaware. Während er als Stadtrat diente, gründete Biden 1971 seine eigene Anwaltskanzlei. Dann waren da auch noch seine drei Kinder Joseph Robinette III (genannt „Beau“), Robert Hunter Biden, und Naomi Christina. Senat, freiberuflicher Anwalt, Ehemann und dreifacher Familienvater. „Alles geschah schneller, als ich erwartet hatte“, sagte Biden über sein damaliges Leben.

Mit erst neunundzwanzig Jahren kandidierte Biden 1972 für den Senat der Vereinigten Staaten. Dabei wurde er tatkräftig von seinen Eltern unterstützt. Seine Schwester Valerie Biden Owens war seine Wahlkampfmanagerin. Er gewann und wurde zum Abgeordneten für den Bundesstaat Delaware in den US-Senat gewählt. Er konnte sein Glück kaum fassen. Eine wunderschöne, liebevolle Frau, drei süße Kinder und jetzt der fünftjüngste Senator in der Geschichte der USA. „Das kann gar nicht sein. Irgendetwas wird passieren“, sagte er am Tag nach der Wahl zu seiner Frau. Und er sollte Recht behalten. Noch vor seinem Amtsantritt traf ihn ein Schicksalsschlag, an dem viele Menschen zerbrochen wären. Es war kurz vor Weihnachten. Seine Frau Neilia war mit der gemeinsamen Tochter Naomi und den beiden Söhnen Hunter und Joseph mit dem Auto unterwegs, um einen Weihnachtsbaum zu besorgen. Ein LKW hatte die Vorfahrt missachtet und krachte in das Fahrzeug der Bidens. Die beiden Jungs überlebten schwerverletzt. Für seine Frau (damals dreißig Jahre alt) und die erst einjährige Naomi kam jede Hilfe zu spät. Joe Biden war am Boden zerstört. Für ihn brach eine Welt zusammen. Er zog in Erwägung, sich aus der Politik zurückziehen.

In seinen Memoiren „Promise me, Dad“ schreibt sich der plötzliche Witwer seinen Schmerz von der Seele. Die Zeit nach dem Unglück beschreibt er wie einen endlosen Fall ins Nichts. Er verstand die Verzweiflung von Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Auch er selbst dachte in dieser Zeit an Selbstmord als letzte Option, wenn der Schmerz zu groß wird.

Mit dem Rückhalt seiner Familie entschied er sich dann aber doch, sein Amt als Senator wahrzunehmen. Den Amtseid nahm er im Krankenhauszimmer seiner Söhne entgegen. Um so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen zu können, lebte er weiterhin in Wilmington. Das bedeutete, täglich zwischen Wilmington und Washington pendeln zu müssen. Aber er wollte und musste beidem gerecht werden: Seiner Rolle als Senator und als Vater.

Ab 1973 war Biden dann sehr erfolgreich als Senator tätig. Die Kraft dazu schöpfte er vor allem aus seiner Familie: Seiner zweiten Frau Jill, die er 1977 heiratete sowie seinen beiden Söhnen Hunter und Joseph jr. sowie Tochter Ashley, die 1981 geboren wurde.

1987 entschloss sich Joe Biden, für die Wahl zum US-Präsidenten 1988 zu kandidieren. Aber bereits nach sechs Wochen war der Kampf um die Präsidentschaft für ihn zu Ende. Wir erinnern uns: Bereits an der Syracuse-University hatte er mit Plagiats-Vorwürfen zu kämpfen. Nun kopierte er eine Rede des britischen Labour-Vorsitzenden Neil Kinnock. Die Rede enthielt Einzelheiten aus Kinnocks Leben. Diese stimmten aber nicht mit seinem eigenen Leben überein. Das kostete ihn die Kandidatur und er schied aus den Vorwahlen der Demokraten aus. Doch es kam noch schlimmer.

Schon während des Wahlkampfes plagten ihn rasende Kopfschmerzen. Nach seinem Rücktritt stellten die Ärzte zwei lebensgefährliche Aneurysmen am Gehirn fest. Er unterzog sich der unumgänglichen Operation. Dabei bildeten sich Blutgerinnsel in der Lunge. Eine weitere Operation war die Folge. Biden überlebte und nahm nach seiner Genesung seine Arbeit als Senator wieder auf.

2007 kandidierte er erneut für die US-Präsidentschaft. Und erneut scheiterte er bei den Vorwahlen der Demokraten. Zu dominant waren seine Konkurrenten Hillary Clinton und Barack Obama. Schließlich nominierten die Demokraten Barack Obama, der gegen den amtierenden Präsidenten Bill Clinton antrat. Bidens Wahlkampf war aber noch nicht vorbei. Denn jetzt wollte ihn Obama als Vizepräsidenten. Dahinter stand Kalkül. Obama wusste, dass die Arbeiterklasse Joe Biden wohlgesonnen war. Und die Arbeiter waren für die Swing-Staaten (unter anderem Ohio und Pennsylvania) ausschlaggebend. 

Die Rechnung ging auf. Das Tandem Obama/Biden gingen als Sieger aus dem Rennen hervor. Am 20. Januar 2009 wurde Barack Obama als 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und Joe Biden als 47. Vizepräsident vereidigt.

Vier Jahre später siegte Obama erneut und wurde für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Auch dieses Mal mit Joe Biden an seiner Seite. Noch während dieser zweiten Amtszeit als Vizepräsident schlug das Schicksal ein zweites Mal zu. Hart. Erbarmungslos. Grausam. Sein ältester Sohn Beau – ebenfalls Politiker – erlag im Mai 2015 einem bösartigen Hirntumor. Mit gerade einmal 46 Jahren. Beau soll kurz vor seinem Tod zu seinem Vater gesagt haben: „Dad, du musst mir versprechen, dass es dir gut gehen wird.“ Beau befürchtete, dass sein Vater alles hinschmeißt, für das er ein Leben lang gekämpft hat. Und dass er – Joe Biden- weiterkämpfen muss. So zumindest interpretierte Biden die Aussage seines Sohnes. Und das verlieh im Flügel. Eine unglaubliche Kraft trieb ihn an. Ein unsichtbares Band zwischen ihm und seinem Sohn, die beide wussten, was die Mission Joe Bidens war: Der nächste Präsident der USA zu werden!

Biden besuchte daraufhin die Eltern gefallender Soldaten. Mit bewegenden Worten versprach er ihnen, dass man den Schmerz in den Griff bekommt. Mit ihm leben kann. Irgendwann. Und das waren seine Worte: „Es wird der Tag kommen, da wird euch der Gedanke an eure Lieben zuerst ein Lächeln auf die Lippen zaubern, bevor euch eine Träne über das Gesicht läuft.“

Biden rang mit sich und erwog, bei der nächsten US-Präsidentenwahl im Jahr 2016 erneut anzutreten. Er kandidierte nicht. Zu tief saß noch der Schmerz über den Verlust seines geliebten Sohnes. Er war noch nicht bereit. Im Rosengarten des Weißen Hauses setzte er allen Spekulationen ein Ende. Gemeinsam mit seiner Frau Jill und Präsident Obama sagte er vor der Presse, dass er nicht kandidieren, aber auch nicht schweigen werde. Er wollte weiterhin auf das politische Geschehen Einfluss nehmen und die Interessen seiner Partei vertreten.

Am 25. April 2019 verkündete Jo Biden, dass er im Jahr 2020 für das Präsidentenamt kandidiert. Er tat es für sein Land, für sich und für seinen Sohn. Und am 03. November 2020 war es schließlich soweit: Biden wurde zum 46. US-Präsidenten gewählt. Zunächst sah es nach einem knappen Rennen zwischen ihm und dem amtierenden Präsidenten Donald Trump aus. Doch in den entscheidenden Swing-Staaten konnte er seinen zunächst knappen Vorsprung immer weiter ausweiten.

Das war die Geschichte vom Stotterer und mittelmäßigen Jurastudenten zum mächtigsten Mann der westlichen Welt: Zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Er liebt sein Land und er liebte seinen Sohn über alles. Vielleicht hätte er es sonst nicht geschafft. Jeder noch so weite Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Das gilt auch für deinen Weg. Wenn die Motivation dahinter stark genug ist, wirst du dein Ziel erreichen.

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